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Begegnung mit Bernardo Kalenga

Begegnung mit Bernardo Kalenga

Mein erstes Interview machte ich am Morgen des zweiten Tages in Luena. Gemeinsam mit Josepha und Christovao ging ich zum Krankenhaus. Wir liefen durch einen langen, angenehm kühlen Gang bis zu einem der Krankenzimmer. Dort lag Bernardo Kalenga. Ich begrüßte ihn kurz und Josepha sprach etwas mit ihm auf Chokwe. Und dann schauten sie mich an und erwarteten von mir, dass ich ein Interview mache.

Also setzte ich mich auf das Bett neben ihm, legte die laufende Videokamera auf das Bett, eigentlich, um den Ton aufzunehmen, und fing damit an, Bernardo Fragen zu stellen: "Kannst du den Ort beschreiben, an dem dein Unfall passierte? Und wie er passierte? Christovao saß neben mir, übersetzte meine Fragen aus dem Englischen und erzählte mir immer kurz, was Bernardo geantwortet hatte.

Weniger die Geschichte selbst schockierte mich in diesem Moment. Zu sehr war ich auf das Zuhören konzentriert und außerdem verstand ich ja immer nur, was Christovao mir übersetzte. Aber die Situation brachte mich sehr durcheinander. Als wir zu ihm kamen, hatte Bernardo erst gefragt, ob er ein T-Shirt anziehen solle, denn sein Oberkörper war nackt. Seine Augen starrten wie hypnotisiert auf einen Punkt irgendwo hinter uns. Im Raum war ein fauliger Geruch.

Zehn Tage später gingen wir wieder in das Krankenhaus. Diesmal, um ein Porträt von Bernardo zu machen. Wir waren schon in seinem Krankenzimmer und ich hatte begonnen, die Kamera aufzustellen, da kam er herein. Er war frisch rasiert und hatte die Haare geschnitten. Er stand immer noch unter Schock. Starrte immer noch irgendwohin in die Ferne. Aber er schaffte es schon, zu laufen – mit Krücken. Und er reagierte viel wacher und konzentrierter auf das, was ihn umgab.

Diesmal war ich in der Lage, etwas mehr von der Krankenhaussituation aufzunehmen: Auf einem kleinen Schrank in einer kleinen Pappschachtel neben dem Bett lagen 4 Ampullen Lidocain oder irgendetwas anderes gegen die Schmerzen. Daneben lag ein ziemlich schmutziger Stoffverband. Das war alles, was ich an medizinischen Behandlungsmitteln sah. Dann stand da noch eine kleine Öllaterne. Sie war aus einer Tomatenmarkbüchse hergestellt worden. Ich glaube, unter diesen Bedingungen würde fast jeder Westeuropäer mit denselben Verletzungen innerhalb weniger Tage sterben. Zumindest würde er dies ständig befürchten.